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Es war im Jahre 2005. Da war Edzard Ernst noch Professor für Alternativmedizin in der Universität zu Exeter, Großbritannien. In dieser Eigenschaft sah er es als seine höchste Pflicht an, die Alternativmedizin in Grund und Boden zu verdammen und alle erdenklichen Hebel dafür in Bewegung zu setzen.

Aber ein dynamischer, ganz unalternativer Alternativprofessor, der mit Höchstgeschwindigkeit seiner Pensionierung entgegen rast, will natürlich für sein berufliches Nachleben noch einige Duftmarken setzen. Da er aber nicht überall „Edzard was here“ drauf- und reinschreiben kann, hat er sich für eine andere Methode entschlossen.

Damit wären wir wieder im Jahr 2005, dem Skandaljahr für die Universität Exeter und Ernst. Hintergrund war, dass Prinz Charles, der künftige König von Großbritannien, ein Homöopathie-Fan ist und die Homöopathie fördert, wo er nur kann. Dieser hatte einen Bericht in Auftrag gegeben, die Potentiale der Alternativmedizin zu erforschen und zu bewerten.

Dieser Bericht war für das „National Health Service“, also das Gesundheitsministerium, bestimmt. Leider fiel der Bericht für Ernst viel zu positiv aus, so dass er öffentlich das Ergebnis zu einem Zeitpunkt harsch und rücksichtslos kritisierte, wo der Bericht noch gar nicht veröffentlicht war. Um seiner Kritik noch mehr Nachdruck zu verleihen, erfand er schnell 150 Todesfälle von Asthmatikern pro Jahr, falls die in homöopathische Hände gerieten.

Daran alleine kann man schon festmachen, wie gefährlich die Homöopathie und seine Spießgesellen sind. Interessanterweise gab es keine Warnungen von Ernst für die beziehungsweise vor der Einführung von Vioxx und Avandia, die keine erfundenen 80.000 Tote in 10 Jahren hinterlassen haben, ganz im Ernst evidenzbasiert und ungeschönt.

Das Resultat seines öffentlichen Auftritts: Eine über ein Jahr dauernde Untersuchung seitens der Universität, die aber zu keinem allzu negativen Ergebnis bezüglich seines Verhaltens kam. Bestraft wurde Ernst dennoch, da ihm die Forschungsgelder gestrichen wurden und er damit gezwungen wurde, seinen Hut zu nehmen und in Pension zu gehen, vorzeitig.

Aber immerhin wurde sein persönliches Opfer dennoch belohnt: Nicht nur 150 Asthmatiker können jetzt aufatmen, sondern 2010 beschloss das „House of Commons“, dass die Homöopathie aus dem Förderungskatalog des „National Health Service“ herauskatapultiert wurde, und dass man fortan nicht mehr behaupten darf, dass Homöopathie und ihre Mittel wirksam sind (Scourge of Snake Oil Salesmen Bids an Early Farewell).

Auf seiner letzten Pressekonferenz bezeichnete er Prinz Charles als „Schlangenölverkäufer“. Dies alleine zeigt schon, wie weit Ernst zu gehen bereit ist, um seiner senil verstockten Gesinnung Geltung zu verschaffen.

Meister Ernst fiel in den Teich – und schon folgt der zweite Streich

Dieser zweiter Streich, ein weiteres Meisterstück in Sachen postprofessioneller Duftmarkenproduktion, wurde mir in Form eines Artikels von Prof. Harald Walach auf den Tisch gespült. Prof. Walach ist klinischer Psychologe und Wissenschaftstheoretiker und arbeitet am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften an der Europa-Universität Frankfurt (Oder), dessen Leiter er ist.

Sein Fachgebiet ist die Forschungsmethodik für komplementäre Medizin und Heilkunde. Dieser Professor schrieb nun einen Artikel über einen gewissen Markus Schulte von Drach. Der wiederum ist Wissenschaftsjournalist und schreibt für die Süddeutsche.de. In einem seiner Artikel hatte von Drach zu Vorgängen an der Universität Zürich Stellung genommen, an denen unser Mann aus Exeter beteiligt gewesen ist (sueddeutsche.de/wissen/alternative-heilverfahren-an-hochschulen-wissenschaft-in-homoeopathischen-dosen-1.1511199).

Da von Drach ein bekennender Gegner der Homöopathie ist (siehe Beitrag Süddeutsche.de „Homöopathie ist ein reiner Placeboeffekt“) und zudem noch mehr oder weniger enge Kontakte zu den Skeptikern (GwUP) zu haben scheint, ist es nur verständlich, dass er die Aktionen von „Busenfreund“ Ernst in Zürich nicht nur verteidigt, sondern aus ihnen eine Art „Mythos vom armen Ernst“ zu schnitzen scheint. Aber was war passiert?

Die Schweizer Tageszeitung „Der Landbote“ gibt hier einen etwas objektiveren Einblick in das Geschehen (Gezerre um Naturheilkunde an der Uni).

Die Universität Zürich hat als einzige europäische Universität einen unabhängig finanzierten Lehrstuhl für Naturheilkunde. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Einflussnahme von Herstellern von alternativen Medizinpräparaten auf ein Minimum herabgesetzt ist beziehungsweise nicht existent ist.

Der jetzige Lehrstuhlinhaber, Prof. Reinhard Saller, wird pensioniert, so dass die Suche nach einem Nachfolger notwendig wurde. Das wäre eigentlich am Ende des letzten Januars der Fall gewesen.

Die Uni hatte schon frühzeitig eine Nachfolgekampagne gestartet und 15 Bewerbungen bekommen, von denen 5 in die engere Wahl kamen. Soweit verlief alles nach Plan. Im Herbst letzten Jahres kam es dann zum Eklat.

Denn es war wieder einmal Meister Ernst, der wundersamerweise Mitglied in der Berufungskommission war, der in ein schwebendes Verfahren eingriff und öffentlichkeitswirksam in genau der Zeitung das Zulassungsverfahren zerriss, in der sein Freund von Drach auch für gewöhnlich schreibt, der Süddeutschen Zeitung. Wie in Exeter musste er darauf hin seinen Platz räumen, da er die sonst übliche Schweigepflicht gebrochen hatte.

Grund für den erneuten Ausraster war wieder einmal die Homöopathie. Denn der Grund für den Ernsten Aussetzer war eine Top-Favoritin im Bewerbungsverfahren: Claudia Witt. Sie ist Professorin für Komplementärmedizin in der Berliner Charité und macht das, was Ernst nicht ausstehen kann:

Sie forscht mit und über Homöopathie. Dazu kommt, dass die Berliner Professorin seinerzeit schon in der Strukturkommission saß, einem Gremium also, das die allgemeine Ausrichtung des Lehrstuhls vor seiner Realisierung festlegen musste. Damit war sie in Zürich keine Unbekannte mehr und damit ein „heimlicher Favorit“. Damit sah Ernst ein großes Einfallstor offen für die Homöopathie in Zürich, was er auf jeden Fall zu verhindern hoffte.

Herr Ernst sieht rot

Im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit und dem Ziel, die Entscheidung der Berufungskommission hierdurch zu beeinflussen, erfolgten dann auch berufliche Attacken auf die Berlinerin. Ernst stellte die wissenschaftliche Qualifikation von Professorin Witt in Frage, erklärte sie für voreingenommen gegenüber der Homöopathie, sie sähe zu viele positive Effekte, ohne zu wissen, wie diese zustande kämen und so weiter.

Wie es scheint, fällt Ernst in seinem pensionsreifen Alter nichts mehr ein als sich an die Regenbogenpresse zu wenden und sich dort auszuheulen. Da er weiß, dass das keinen großen Schaden verursacht, gibt er seine Weltanschauung in Form von explosiven Informationen preis, die zum gegebenen Zeitpunkt unter Verschluss standen und deren Veröffentlichung nur als „Geheimsache“ die entsprechende Aufmerksamkeit erregen.

Denn schon zu „Lebzeiten“, als er noch aktiver Bestandteil des Wissenschaftsapparats war, hatte er kaum Argumente für seine alternativen Alternativideen, die sich größtenteils auf selbst gebastelte Meta-Analysen stützten, die bewiesen, was bewiesen werden sollte.

Und wenn das alles nicht reicht, dann reicht´s ihm – er bricht die Schweigepflicht in Großbritannien und der Schweiz, verunglimpft unliebsame Prinzen und Professoren auf höchst wissenschaftlicher Ebene ganz ohne Meta-Analyse und zaubert dazu die blödesten Argumente der Wissenschaftstheorie aus dem Hut, für die sich selbst ein Erstsemester-Student schämen würde.

Professor Reinhard Saller dagegen hat jetzt das Nachsehen. Denn er muss noch ein halbes Jahr auf seine Pensionierung warten und weiterarbeiten. Denn die Großtaten von Ernst haben das Berufungsverfahren vorläufig in Stocken gebracht. Ich frage mich sowieso, aus welchem Grund hat man ihn in die Berufungskommission berufen? Hatte sein Ruf noch nicht die Berggipfel der Schweiz überwunden?

Wusste niemand von dem Eklat in Exeter 2005? Das alles wäre doch ausreichend gewesen, um Berufungskommissionäre solcher Couleur zu umgehen. Vielleicht sollte man doch eine Berufungskommission für eine neue Berufungskommission aufstellen, damit die Lehrstuhlinhaber zeitig in Rente gehen können.

Beitragsbild: 123rf.com – subbotina

Dieser Beitrag wurde am 20.05.2022 erstellt.